"Werde, der du bist" ("Pythische Oden", Pindar)
Miasmen bilden als menschliche Entwicklungsstadien eine wichtige Grundlage zum Verständnis generationsübergreifender Krankheitsphänomene, wie sie auch in der Aufstellungsarbeit oder systemischen Familientherapie zum Vorschein kommen. Bei der Behandlung schwerer Pathologien sollten Miasmen daher unbedingt berücksichtigt werden.
Hahnemann verstand Ansteckung als (übertragbare) dynamische Einwirkung auf den Organismus, die er als Folge parasitärer oder emotionaler (Traurigkeit, Freude etc.) Agentien bei seinen Patienten beobachten konnte. Auch aus heutiger homöopathischer Sicht entsteht Krankheit nicht (allein) durch Erreger (Bakterien, Viren u. a.), sondern vielfältige Störfaktoren können zu relevanten dynamischen Faktoren werden, z. B. Lebensumstände, Traumata oder Empathie.
In ihrer Gesamtheit führen solche dynamischen Einflüsse dazu, dass die Lebenskraft auf spezifische Weise reagiert und individuell typische Symptome entwickelt. Diese unterschiedlichen Reaktionsformen, die offenkundig in Beziehung zu einer (familiär gehäuften, vererbbaren) Disposition stehen, hat Hahnemann als Miasmen bezeichnet.
Das Miasma der Syphilinie wird mit Zerstörung, Leiden und Tod assoziiert und ist deshalb bis heute gefürchtet. Härte, Kälte, Unbarmherzigkeit und Abgründigkeit zeichnen ihr archetypisches Muster aus. Doch Zerstörung und Tod sind nur eine Seite des syphilitischen Prozesses. Auf der anderen Seite sind sie notwendig, um neues Leben hervorzubringen und damit Leben an sich zu erhalten. So müssen wir beispielsweise unsere Nahrung erst zerstören (zerkleinern und verdauen), um von ihr zu leben! In die destruktiven Prozesse des Lebens sind wir also stets aktiv involviert.
Der miasmatisch arbeitende Arzt Hans-Lothar Michels widmet sich in diesem Seminar beiden Seiten der Syphilinie - und somit auch ihrem positiven Kern, den Chancen für die menschliche Entwicklung! In einem spannenden Abriss verbindet er Geschichte, Philosophie und Heilkunst mit einer ausführlichen klinisch-symptomatischen Erörterung und schafft dabei ein ebenso tiefes wie umfassendes Verständnis für das syphilitische Miasma und für die Syphilis als besondere Krankheit.
Ausgehend vom 15. Jahrhundert, als diese Schreckenskrankheit ihren verheerenden Siegeszug durch Europa antrat, beschreibt der Referent auf lebendig anschauliche Weise ihre vielfältig wechselnden Gesichter - von der Antike bis in unsere Zeit. Bereits in griechischen Sagen finden sich eindeutig syphilitische Themen: Leid, Schmerz und Zerstörung als Folge eines hochmütigen Aufbegehrens gegen höhere Mächte.
Die Metapher "Werde, der Du bist" bringt die Aufgabenstellung der Syphilinie und ihr Prinzip auf den Punkt. Im hermetischen Denken der Renaissance wurde die "Zentralperspektive" neu entdeckt: Vormals scheinbar absolute Gesetze wandelten sich in Relativität und bildeten damit eine Voraussetzung für Individualisierung und Ich-Werdung. Michels versteht die Homöopathie - in Anlehnung an das Heilungsverständnis von Paracelsus - als eine Art alchemistischen Prozess der Menschwerdung, indem sie uns durch den Individuationsprozess begleiten kann - auch und gerade in der Krankheit.
Schwere chronische Erkrankungen individueller oder gesellschaftlicher Natur durchlaufen das Stadium der Syphilinie meist mehrfach, mit einer mehr oder minder zerstörerischen Symptomatik - bis sich schließlich ein neues Gleichgewicht einstellen kann. Dabei erzeugt die Syphilinie typische psychische und körperliche Symptome. Es ist wichtig diese Symptome zu (er)kennen, um sie den entsprechenden Arzneien zuordnen zu können, damit eine adäquate Begleitung dieses Entwicklungsprozesses möglich wird. Die wichtigsten antisyphilitischen Arzneien werden hier angesprochen und differenziert.
Michels ist davon überzeugt, dass der Entfaltungsprozess des Individuums noch lange nicht abgeschlossen ist, sondern unsere Zukunft bestimmen wird. Dabei müssen wir unser Bewusstsein selbst weiterentwickeln, ohne dass eine äußere autoritäre Instanz es uns vorschreibt.
Historisch-philosophisch ebenso wie klinisch-symptomatisch umfassende Darstellung der zwei Seiten eines zentralen Miasmas, das bei der Behandlung schwerer Pathologien unbedingt berücksichtigt werden sollte!
Antisyphilitische Arzneien
Aceticum acidum, Fluoricum acidum, Anthracinum, Arsenicum album, Asa foetida, Aurum, Camphora, Causticum, Ferrum, Kalium jodatum, Lac caninum, Lac humanum, Lachesis, Lyssinum, Mercurius solubilis, Quecksilbersalze, Phytolacca, Platin, Syphilinum
Querverweise & weitere Hauptthemen der Titel
Luesinum Mercurius Miasmen Syphilinie Syphilinum
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